Zurich Pride Festival 6.6.20
Abgesagt, aber…

Alle Grossanlässe müssen abgesagt oder verschoben werden, so auch das Zurich Pride Festival. Sich auf das Grundsätzliche zurückbesinnen und vorwärtsschauen, ist das Motto beim OK. Lea Herzig verrät mehr.
Abgesagte CSD- und Pride-Umzüge bedeuten zwar Enttäuschung und Stress für die Veranstalter*innen, sie seien aber auch eine Chance für die Community, sagte Stefan Mielchen, erster Vorsitzender der Pride Hamburg, im April in einem Kommentar. Er führte aus, dass die Corona-Krise die Stärken und Schwächen von Pride-Veranstaltungen sichtbar mache: Denn ob sie stattfinden oder nicht, werde zumindest kurzfristig kaum Auswirkung auf die politischen Entscheidungsprozesse haben. Stefan plädierte dafür, diese Zäsur als Chance zur Reflexion über das, was war, was fehlt und was neu entstehen kann, zu nutzen. Denn die oft geäusserte Kritik von «zu viel Party und Kommerzialisierung» biete nun Gelegenheit zur selbstkritischen Analyse.
Wie andernorts findet auch in Zürich der grösste LGBTIQ-Anlass der Schweiz dieses Jahr nicht statt. Die Organisatoren gaben das am 6. Mai bekannt. Da zurzeit nicht absehbar sei, ob dieses Jahr überhaupt noch Grossveranstaltungen durchgeführt werden können, sei die Absage die einzige vernünftige Lösung, sagte OK-Präsidentin Lea Herzig.
Lea, was bedeutet die Absage für das OK?
Die Absage der Zurich Pride 2020 schmerzt uns alle. Wir sind jedoch mit Hochdruck daran, andere Formen der öffentlichen Aufmerksamkeit zu planen. Uns ist wichtig, dass wir auch 2020 unsere Forderungen sichtbar machen und unser Motto «Bekenne Farbe gegen Hass» verbreiten. Unser Verein bezweckt das Sichtbarmachen unserer Anliegen für Gleichberechtigung, für Akzeptanz und für ein friedliches Miteinander. Das werden wir 2020 auch realisieren – wofür wir auch die Unterstützung unserer Sponsor*innen brauchen. Diese Verhandlungen laufen gerade, viele haben uns ihren Support bereits signalisiert. Unser Team arbeitet trotz der Absage fleissig weiter und nutzt die Absage als Chance, kreative Projekte voranzutreiben und neue Wege zu gehen. Gerade in solchen Zeiten wie jetzt gibt die Vereinsarbeit den Einzelnen enorm viel zurück: Wir verabreden uns online, diskutieren und sind füreinander da.
Befürchtest du wegen der Absage allenfalls Rückschritte auf politischer Ebene?
Ich persönlich befürchte keinen Rückschritt, solange sich weiterhin so viele Menschen für unsere Themen einsetzen, solange wir alle unsere Möglichkeiten nutzen, auch ohne grosse Demo über unsere Anliegen zu sprechen, uns sichtbar zu machen und für die Vielfalt und gegen Hass Farbe bekennen. Unsere Kampagne dazu wird ein wichtiges Zeichen setzen: In Zeitungen, an den Bahnhöfen und online. Mehr dazu erfahrt die Öffentlichkeit in wenigen Wochen.
Die Faust im Sack und sonst gar nichts zu machen, ist also nicht das Motto beim Zurich Pride Festival. Ganz im Sinne des Hamburger Kommentators Stefan hat das Zürcher OK die Gelegenheit beim Schopf gepackt, sich auf das Wesentliche konzentriert und wird den Forderungen aus der Community mit anderen Mitteln Nachdruck verleihen.
Seit 2017 betreibt Network Zürich gemeinsam mit Wybernet eine Bar auf dem Festplatz der Pride. Joseph Achermann hatte dies seitens Network initiiert und die Bar wurde danach von Jonas Schneider weiter betreut. Der Jubiläumsevent 2019, mit eindrücklicher Präsenz am Bürkli- und Sechseläutenplatz, war für Network und Wybernet ein grosser Erfolg, wie Erik Schlumpf, Co-Leiter ad interim der Regionalgruppe Zürich, sagt. Er meint: «Die Zürich Pride ist ein Leuchtturm-Event für die Community. Es ist sehr bedauernswert, dass aufgrund der Corona Krise dieses Jahr keine Zürich Pride stattfindet. Das Team mit Christian Dangel, Daniel Bruttin, Christian Fuster und Thomas Voelkin, in Zusammenarbeit mit dem Wybernet Team, war mit der Organisation der Pride Bar betreut. Umso mehr freuen wir uns auf die Pride 2021.»
Mit der Absage des diesjährigen Festivals gaben die Organisatoren auch das Datum der nächsten Pride bekannt: 18. und 19. Juni 2021.
Text: Michel Bossart