Politik 1.1.19
Ambivalenz im Diskriminierungsschutz

Im Dezember entschied der National- und Ständerat, dass homo- und bisexuelle Menschen vor Diskriminierung gesetzlich geschützt werden sollen. Nicht in die Anti-Rassismus-Strafnorm miteinbeziehen wollten sie den Schutz vor Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität.
Der Nationalrat sah vor, die Anti-Rassismus-Strafnorm dahingehend zu erweitern, dass gemäss Art. 261bis des Strafgesetzbuches auch die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität unter Strafe gestellt wird. Im Ständerat war man ebenfalls der Auffassung, dass homo- und bisexuelle Personen Schutz vor Hass und Diskriminierung zuteilwerden soll. Nicht einverstanden war die kleine Kammer damit, dass die Diskriminierung wegen Geschlechtsidentität, also eine Diskriminierung wegen einer Transidentität oder Intergeschlechtlichkeit, ebenfalls unter Strafe gestellt werden sollte.
Hans-Peter Fricker von der PoKo erklärt: «Für den Ständerat war der Begriff Geschlechtsidentität zu wenig scharf definiert.» Während seine vorberatende Kommission ihren Entscheid mit einem Stichentscheid des Präsidenten noch zugunsten des Einschlusses von trans und inter fällte, kam es beim Ständerat als Ganzem aber so heraus: «Mit 23 zu 18 Stimmen sprach er sich für den Schutz von homo- und bisexuellen Menschen vor Diskriminierung aus, er liess aber die Diskriminierung wegen der Geschlechtsidentität aussen vor.»
Immer wenn es eine solche Differenz zwischen National- und Ständerat gibt, geht das Geschäft zurück in den Erstrat. In der zweiten Runde hat der Nationalrat die Geschlechtsidentität bei dieser Gesetzesänderung mit 107:77 Stimmen leider nun ebenfalls ausgeklammert. Die Mehrheit befürchtete, dass sonst der Ständerat das ganze Paket ablehnt. «Dann hätten auch die Schwulen, Lesben und Bisexuellen ihren eben neuen gewonnenen Schutz gleich wieder verloren.»
Hans-Peter weiter: «Für die Community ist das Ergebnis ambivalent. Dass die Transgender nun raus sind, tut uns sehr leid und ist gar nicht in unserem Sinne. Wenigstens haben wir aber die Hälfte des Paketes durchgekriegt.» Die Diskussion müsse jetzt weitergehen, damit die Transgender-Anliegen ebenfalls Gehör finden. Es sind für trans und inter neue Lösungen zu erarbeiten, die juristisch wasserdicht sind. Hans-Peter wird der PoKo vorschlagen, dass Network mit den Transgender- und den Inter-Interessengruppen zusammenarbeiten und sie dabei unterstützen wird, auch zu ihrem Recht zu kommen.
Text: Michel Bossart