GV 2022 8.3.22
Die Balance finden zwischen Bubble und Empowerment

Gastrednerin an der diesjährigen Generalversammlung in Bad Ragaz ist die St.Galler Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP). Im Interview spricht sie über die Wichtigkeit von Netzwerken.
Frau Vincenz, kannten Sie Network auch schon vor der Anfrage, ob Sie Gastrednerin an der Generalversammlung in Bad Ragaz sein wollten?
Ja. Im Zusammenhang mit der lancierten Volksinitiative für die Einführung der Individualbesteuerung hatten wir Kontakt mit verschiedenen Interessengruppen. Dabei wurde ich auf Network aufmerksam.
Als Politikerin sind Sie bestimmt eine Netzwerkerin.
Oh ja, das gehört zum «politischen Geschäft» massgebend dazu. Denn eines ist klar: Die besten politischen Ideen haben nur dann eine Chance auf Verwirklichung, wenn sie mehrheitsfähig sind. Und dafür gilt es, über den eigenen «Hag» hinauszuschauen und sich breit zu vernetzen. Aber das Vernetzen beginnt natürlich schon vorher: Um überhaupt in ein politisches Amt gewählt zu werden, ist eine breite Vernetzung ebenfalls von grossem Vorteil, wenn nicht gar Bedingung.
Network wurde letztes Jahr 25 Jahre alt. Sind solche homogenen Netzwerke (hier von schwulen Männern) überhaupt noch zeitgemäss? Worin sehen Sie Vorteile und worin allenfalls auch Nachteile?
Ja, ich finde schon. Grundsätzlich bin ich zwar eine Anhängerin gemischter Teams. Aber um überhaupt dahin zu kommen, dass sich genügend Personen aus der eigenen Komfortzone wagen, braucht es Vorarbeit. Und dafür bieten homogene Netzwerke einen Ort, wo man sich gegenseitig unterstützen, motivieren, stärken kann – «Empowerment» vom Feinsten. Oder auch das geballte Einsetzen für ein gemeinsames Anliegen. Gemeinsam entfaltet man mehr Kraft als noch so viele Einzelkämpfer und Einzelkämpferinnen. Das sind die Vorteile. Nachteile entstehen dann, wenn sich eine solche Gruppe abschottet und die Mitglieder sich nur noch in der eigenen Bubble bewegen. Dies engt ein, statt dass es stärkt.
Neben Ihrem Mandat im Nationalrat sind Sie auch Präsidentin der «FDP.Die Liberalen Frauen». Kann man sagen, dass es sich dabei auch um ein Netzwerk ähnlich wie Network handelt?
Ja, durchaus. Wir sind insofern eine homogene Gruppe, als sie auf Frauen mit einer bestimmten politischen Werthaltung ausgerichtet ist.
Warum braucht es die «FDP.Die Liberalen Frauen» überhaupt?
Um modern und progressiv denkenden Frauen, die sich politisch betätigen wollen, eine «Heimat» zu bieten. Es gibt auch Frauen, welche bewusst nur den «FDP Frauen» beitreten und nicht der FDP. So bieten wir zum einen eine Alternative, stärken damit aber auch die FDP als Ganzes. Und dann sind wir natürlich sehr aktiv in der Nachwuchsförderung. Es ist unser erklärtes Ziel, die Zahl von FDP-Frauen in politischen Ämtern zu steigern – und damit natürlich auch den Frauenanteil als Ganzes. Hier hat es noch Luft nach oben. Und schliesslich prägen wir die Agenda der «FDP Schweiz» mit, da die Präsidentin von Amtes wegen Mitglied der Parteileitung der «FDP Schweiz» ist.
Auch Frauen mussten sich ihre Rechte lange erkämpfen. Sehen Sie Parallelen zu den Forderungen aus der LGBTI-Community auf umfassende rechtliche Gleichstellung?
Ja, die Parallelen sind offensichtlich. Es geht darum, nicht aufgrund einer persönlichen Eigenschaft – wie eben zum Beispiel Geschlecht oder sexuelle Orientierung – rechtlich diskriminiert zu werden.
Interview: Michel Bossart