Zu Besuch bei den Freimaurern 5.6.21
Durch Selbsterkenntnis zu einem menschlicheren Verhalten

So geheimnisumwittert wie allgemein angenommen, sind die Freimaurer gar nicht. Davon überzeugte sich die Regionalgruppe Basel an einem Besuch bei den Basler Logen. Die Teilnehmer haben viel über «den Bund freier Menschen» gelernt, die das Ziel haben, bessere Menschen zu werden.
Am 12. Mai besuchte eine wegen Corona auf 14 Networker aus Basel, Bern und Zürich beschränkte Gruppe die Basler Logen der Freimaurer im «Haus zum Neuen Venedig». Wilhelm Staudt sagt: «Wir wurden von Urs Schaffer empfangen, der Mitglied in der Loge ‹Zur Freundschaft und Beständigkeit› ist.» Er hat den Anwesenden einen Einblick in das Wirken der insgesamt sieben Basler Logen gegeben und die Gruppe durch das Gebäude geführt.
In Basel gibt es seit Ende des 18. Jahrhunderts Freimaurerlogen. Bereits 1891 wurde das heutige Gebäude «Haus zum Neuen Venedig» bezogen. Unter den aktiven Basler Logen ist auch eine reine Frauenloge und eine englischsprachige Loge. Sie sind alle offiziell als «Johannislogen» anerkannt und Teil der Grossloge Alpina. Die «Johannislogen» folgen überlieferten Ritualen und beziehen sich auf die Tradition einer der ältesten Logen überhaupt, der Grossloge von England.
Der Grossteil freimaurerischer Werte entstammt dem Zeitalter der Aufklärung, eine Entwicklung, die ab zirka 1700 versuchte, mit rationalem Denken den Fortschritt behindernde Strukturen zu überwinden. So lauten die fünf Grundpfeiler der Freimaurerei: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität. Freimaurer gehen vom Gedanken aus, dass sich eine Gesellschaft nur verbessern kann, wenn alle aus Vernunftsgründen auch bereit sind, sich selbst zu (ver)ändern. Die sich über alle Hierarchiestufen duzenden Freimaurer vermeiden allerdings Diskussionen zu Themen wie Politik, Religion oder Ideologie; vielmehr geht es ihnen um die Sinnsuche und die individuelle Weiterentwicklung – stets mit dem Ziel, ein besserer Mensch zu werden.
Wilhelm ruft in Erinnerung: «Dieses Ziel erreichen Freimaurer auch mit karitativen Tätigkeiten. Das Alters- und Pflegeheim Humanitas in Riehen geht auf eine Initiative der Basler Freimaurer zurück.»
Schaffer betonte an diesem Abend: «Logen sind kein Netzwerk für das berufliche oder gesellschaftliche Vorankommen. Wer diese Erwartungshaltung hat, wird enttäuscht sein.» Zwar prägten in der Vergangenheit viele bekannte Politiker, Geschäftsmänner und Künstler das Bild der Freimaurerei nachhaltig, doch: «Die Logen stehen allen Menschen unabhängig von Rang oder Beruf offen. Auch ein einfacher Arbeiter kann Mitglied einer Loge sein», meinte Schaffer.
Für eine Mitgliedschaft müssen Interessenten den Kontakt zu einer Loge aus eigenem Antrieb suchen, da Freimaurer niemals aktiv Mitglieder anwerben. Sie verstehen sich als geschlossene Gesellschaft, von ihnen wird Diskretion verlang. Doch jedem Freimaurer steht es frei, sich selbst als Freimaurer zu outen. Diese Diskretion führt dazu, dass auch heute die Freimaurer oft noch als eine Art «Geheimbund» angeschaut werden.
Wilhelm meint: «Viele Vorurteile über Freimaurer würden sich wohl erübrigen, wenn man mit statt nur über sie spräche.»
Nach gut einer Stunde Vortrag und Führung waren die Networker im Garten des Hauses zu einem Austausch mit Apéro eingeladen. «Dieser Besuch bei den Freimaurern», sagt Wilhelm, «war für uns Networker eine spannende und interessante Erfahrung. Ich für meinen Teil bin schlauer aus dem Haus zum Neuen Venedig herausgetreten, als wie ich eingetreten war.»
Aufgrund des Interesses und der Teilnehmerzahl, die begrenzt werden musste, überlegt sich die Regionalleitung Basel, später im Jahr noch einen zweiten Termin zu organisieren.
Text: Michel Bossart