Ehe für alle 5.6.21
Ehe versus eingetragene Partnerschaft: die Unterschiede

Der Bundesrat hat entschieden. Am 26. September stimmt das Schweizer Stimmvolk über die Ehe für alle ab. Für die LGBT-Community ist dies ein Meilenstein auf dem Weg zur Gleichberechtigung.
Obwohl Homo- und Bisexualität in der Schweiz gesellschaftlich weitestgehend anerkannt und akzeptiert sind, ist vielen Stimmbürger*innen noch nicht klar, warum die Ehe für alle für uns so wichtig ist. Zwar garantiert die Bundesverfassung das Recht auf Ehe und Familie und verbietet jegliche Diskrimination aufgrund der Lebensform, dennoch sind gleichgeschlechtlich liebende Menschen in der Schweiz rechtlich eben nicht gleichgestellt – sonst dürften wir ja heiraten. Mit der Abstimmung über die Ehe für alle bietet sich für uns eine Chance, diese Ungleichstellung wenn auch nicht ganz zu eliminieren, so doch wesentlich zu reduzieren.
Gegner*innen der Ehe für alle argumentieren oft, dass mit der eingetragenen Partnerschaft den Bedürfnissen der homosexuellen Community Genüge getan sei. Dem ist aber nicht so: Neben diversen kleinen, gibt es bei der eingetragenen Partnerschaft auch fünf grosse Unterschiede zur herkömmlichen Ehe:
Bürgerrecht: Ehemänner von Schweizerinnen und Ehefrauen von Schweizern können sich erleichtert einbürgern lassen. Gleichgeschlechtliche ausländische Partner*innen erhalten zwar eine Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung, müssen sich jedoch dem ordentlichen, meist teureren Einbürgerungsverfahren stellen.
Vermögensrecht: Während bei der Ehe automatisch die Errungenschaftsbeteiligung in Kraft tritt, gilt für eingetragene Partner*innen die Gütertrennung. Das lässt sich zwar vertraglich ändern, ist und bleibt aber eine Ungleichbehandlung. Tipp: Was die jeweils bessere Lösung ist, sollte jedes Paar gut für sich abklären.
Samenspende: Frauenpaare können zwar schon heute eine Samenspende in Anspruch nehmen, bei der Geburt wird jedoch nur die leibliche Mutter als rechtliche Mutter anerkannt. Die Partnerin muss das Stiefkindadoptionsverfahren durchlaufen.
Adoption: Eingetragene Partner*innen können nur das leibliche Kind der Partner*in adoptieren (Stiefkindadoption).
Hinterlassenenrente: Verwitwete eingetragene Partnerinnen erhalten zwar eine Witwenrente, allerdings nur, wenn sie ein Kind unter 18 Jahren haben. Witfrauen erhalten eine Rente, falls sie beim Tod des Ehemannes über 45 Jahre alt waren, ungeachtet dessen, ob sie sich um minderjährige Kinder kümmern müssen.
Abgesehen von diesen Punkten ist die Ehe für gleichgeschlechtliche Paar auch sonst eine längst überfällige Anerkennung für die Community und hat eine Signalwirkung für die Gesellschaft. Gerade in der Arbeitswelt und für junge Menschen ist das ein wichtiges Zeichen. Mehrere Studien bestätigen, dass in Ländern wie Dänemark, Schweden und den USA die Vorurteile gegenüber der LGBT-Community abnahmen und die Suizidalrate von LGBT sank.
Sagt die Schweiz am 26. September Ja zur Ehe für alle, werden zwar viele Ungerechtigkeiten beseitigt, das Ja bedeutet aber noch keine vollständige Gleichstellung. So müssen Familien, die mit Samenspenden, auf natürlichem Weg oder über eine Samenbank, die nicht schweizerischen Recht unterstehen, gegründet wurden, weiterhin den aufwendigen Weg über die Stiefkindadoption zur rechtlichen Absicherung gehen. Dies wegen des Anspruchs des Kindes, im Erwachsenenalter wissen zu dürfen, wer der Samenspender war. Im Parlament fehlt derzeit die politische Mehrheit, um diese Ungerechtigkeit ebenfalls auszumerzen. Dies soll zu einem späteren Zeitpunkt mit der Revision des Abstammungsrechtes nachgeholt werden.
Die LGBT-Verbände sind sich einig, dass die Ehe für alle ein historischer Schritt für die Gleichstellung ist. Stimmen die Stimmbürger*innen am 26. September wider Erwarten gegen die Ehe für alle, so ist dieses Thema für die nächsten Jahren erledigt und würde einen enormen Rückschlag für die Community bedeuten. Es gilt darum jetzt, diese Chance zu packen.
Text: Michel Bossart