Politik 1.4.19
Es geht vorwärts: «Ehe für alle»

Bis zum 21. Juni 2019 haben Kantone, Verbände und Parteien nun Zeit, sich zum Vorschlag der nationalrätlichen Rechtskommission zu «Ehe für alle» zu äussern. Wir erklären, wie es so weit kam und was das genau bedeutet.
2016 wurde die CVP-Initiative «Für Ehe und Familie – Gegen die Heiratsstrafe» mit 50,8 Prozent knapp abgelehnt. Die Erleichterung damals war gross, wollte die Initiative doch en passant die Definition der Ehe als «Gemeinschaft zwischen Mann und Frau» in die Verfassung schmuggeln. Selbstredend wäre diese Definition ein riesiger Stolperstein auf dem Weg zur «Ehe für alle» gewesen. Mitte Juni letzten Jahres hat die CVP nun in mehreren Kantonen eine Abstimmungsbeschwerde eingereicht, wegen «skandalöser Fehlinformationen über die Zahl von der Heiratsstrafe betroffenen Personen», wie die Partei diesen Schritt begründete. Ob die Abstimmung wiederholt werden muss – und zwar mit einem unveränderten Text –, entscheidet das Bundesgericht. Wann das der Fall sein wird, kann nicht vorausgesagt werden.
Und trotzdem geht es bei der «Ehe für alle» vorwärts: Die Rechtskommission des Nationalrates hat im Februar zwei Versionen der «Ehe für alle» in die Vernehmlassung geschickt. Die beiden Versionen unterscheiden sich darin, dass die eine die künstliche Befruchtung für verheiratete Frauenpaare mit Kinderwunsch ermöglicht. Mitte März hat die Rechtskommission ihren Bericht und die daraus resultierenden Vorschläge für Gesetzesänderungen veröffentlicht. Gleichgeschlechtliche Ehepaare sollen demnach grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten haben wie verschiedengeschlechtliche. Namentlich sollen sie auch Kinder adoptieren dürfen. Und ausländische Partner*innen sollen von der Möglichkeit der erleichterten Einbürgerung profitieren können.
Allerdings wird die Hinterlassenenrente nicht neu geregelt: Witwen werden vorerst gegenüber Witwern weiterhin begünstigt. Die Rechtskommission bedauert zwar, dass mit ihrer Vorlage für die «Ehe für alle» diese Ungleichbehandlung andaure. Weil aber die Diskussion über neue Regeln auf diesem Gebiet die Öffnung der Ehe unverhältnismässig lange bremsen könnte, hat die Kommission entschieden, im Rahmen dieser Gesetzesvorlage auf eine Anpassung zu verzichten.
Wird die «Ehe für alle» eingeführt, wird es keine eingetragenen Partnerschaften mehr geben. Jene, die in einer solchen leben, dürfen diesen Zivilstand weiterhin führen oder aber ihre Partnerschaft unkompliziert in eine Ehe umwandeln können. Eine durch Umwandlung erfolgte Ehe soll so behandelt werden, als wäre die Ehe bereits zum Zeitpunkt der Eintragung der Partnerschaft abgeschlossen worden. Erst zum Zeitpunkt der Umwandlung angewendet werden soll dagegen der im Eherecht geltende ordentliche Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung.
Die Vernehmlassung dauert bis zum 21. Juni. Selbstverständlich wird Network sich daran beteiligen. Die PoKo ist zurzeit daran, mit den andern nationalen LGBT-Verbänden eine Musterantwort zu erarbeiten, die auch andern Verbänden, den Parteien und den Kantonen weiter gereicht werden kann. An ihrer letzten Sitzung hat die PoKo einstimmig entschieden, sich für die Variante mit dem Zugang zur Samenspende für verheiratete Frauenpaare auszusprechen.
Text: Michel Bossart