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Tolerantia-Award 2019 1.10.19

«Gleichgeschlechtliche Ehen gibt es schon längst in der Schweiz»

Der Berner Networker Henry Hohmann wird am 5. Oktober mit dem Tolerantia Award ausgezeichnet. Dies für seinen unermüdlichen Einsatz für die die LGBTIQ-Community. Henry war Gründungsmitglied und langjähriger Präsident des TGNS (Transgender Network Switzerland).

Henry, herzlichen Glückwunsch zum heurigen Tolerantia Award! Wie gross war deine Überraschung, als du von der Auszeichnung erfahren hast?
Sehr gross. Ich habe einen Anruf von Pink Cross erhalten und wurde gefragt, ob ich schon einmal von diesem Award gehörte hätte. Natürlich habe ich. Als mir aber gesagt wurde, dass die Jury entschieden hat, mir den Award zu verleihen, da war ich platt. Damit hätte ich überhaupt nicht gerechnet. Ich habe mich mega gefreut.

Du hast 2010 das «Transgender Network Switzerland» (TGNS) mitbegründet und warst von 2012 bis 2018 dessen (Co-)Präsident. Wie war eigentlich die Trans-Szene vor 2010 organisiert?
Es gab einfach lokale und regionale aber lockere Zusammenkünfte und einzelne Gruppen. Niemand setzte sich auf nationaler Ebene politisch für trans Leute ein. Damals standen die Vernetzung und der Austausch im Vordergrund. Mit Gründung von TGNS wurde eine Lücke gefüllt. Und so hatte die bunte LG-Community endlich einen schweizweit agierenden Ansprechpartner für Transanliegen. 

Was waren die wichtigsten Errungenschaften der letzten zehn Jahre, auch oder gerade mit dir als Präsident von TGNS?
Trans Menschen sind heute viel sichtbarer als früher. Zudem gibt es nun eine Anlaufstelle für Transthemen auch ausserhalb der LG-Community: zum Beispiel für Fachpersonen, Politiker und auch Eltern oder Partner*innen. Dann haben wir die Beratungsangebote mit Fachstellen bei den Checkpoints in Zürich, Lausanne und Bern angeregt und bieten selbst eine kostenlose und ehrenamtliche Rechtsberatung für trans Menschen. Gerade wenn es um Namensänderungen, Krankenkassen oder bei trans Frauen auch ums Militär geht, ist eine Rechtsberatung wichtig. Und mit einer Transition geht halt auch fast immer eine Personenstandsänderung einher.

Und für welche Anliegen setzt ihr euch im Moment ein?
Wir warten mit Spannung auf den Bericht aus dem Bundesamt für Justiz: Wie könnte eine Schweiz mit einem dritten Geschlechtseintrag aussehen –  oder sollen diese Einträge allesamt abgeschafft werden? Im Herbst erwarten wir auch Neuigkeiten zum Ergebnis der Vernehmlassung des Gesetzesentwurfs bezüglich der erleichterten Personenstandsänderung für trans und inter Menschen. Auch Verbesserungen im Gesundheitswesen für trans Personen stehen auf unserer Agenda und natürlich der Schutz vor Hassrede und Hassverbrechen.   

Ein wichtiges Thema für alle Minderheiten ist ihre Sichtbarkeit. Du bist in diesem Bereich sehr aktiv. Was waren deine besten und eindrücklichsten Momente als TGNS-Aktivist?
Das sind natürlich sehr viele! Einer war die Eröffnung der allerersten Transtagung vor sieben Jahren. Noch nie haben sich so viele trans Personen in der Schweiz an einem Wochenende getroffen. Ein anderer eindrücklicher Moment war meine Rede an der Kundgebung für die «Ehe für alle» auf dem Münsterhof 2014. Das Thema ist zwar für uns nicht ganz so zentral, aber viele trans Menschen bleiben auch nach ihrer Transition verheiratet. So wie ich damals. Da sagte ich nur: He, Leute wacht auf: Gleichgeschlechtliche Ehen gibt es schon längst in der Schweiz, also öffnet sie doch einfach für alle.

Du bist ja auch Mitglied bei Network. Warum?
Ich bin ja bei vielen Vereinen aus der Community Mitglied (lacht). Mir war das einfach wichtig. Ich wollte andere Schwule kennenlernen. Zudem schätze ich die Apéros, die interessanten Gespräche oder die politischen Veranstaltungen, die allesamt auf hohem Niveau organisiert werden. Dank meiner Network-Mitgliedschaft habe ich Menschen kennengelernt, die ich sonst nie getroffen hätte.

Was sind die Unterschiede von TGNS und Network?
Einen frappanten Unterschied sehe ich darin, dass bei Network doch einige Männer an ihrem Arbeitsplatz nicht geoutet sind. Das ist bei trans Menschen halt einfach gar nicht möglich, da kommt man um ein Coming-out nicht herum. Und dieses Coming-out birgt dann auch gewisse Risiken, auch finanzieller Natur. Und: Bei trans Menschen sind die Geschlechtsidentitäten wahnsinnig vielfältig, in diesem Sinne ist das bei Network viel fokussierter.

Am 5. Oktober wird dir um 17.30 Uhr im Berner Rathaus der Tolerantia Award überreicht. Ist das ein öffentlicher Anlass?
Ja, auf der Webseite von Pinkcross gibt es dazu ein Anmeldeformular. Nebst den Reden wird es auch viel Musik und Gelegenheit zum Austausch geben. Ich würde mich freuen, viele Networker dort zu sehen!

Schauen wir in die Zukunft: Braucht es deiner Meinung nach politische Aktivitäten für die LGBTIQ-Community in zehn Jahren überhaupt noch?
Ja, das befürchte ich. Grundsätzlich bin ich ja ein Optimist, aber halt auch nicht allzu leichtgläubig. In der Schweiz geht alles bekanntlich etwas langsamer, dafür werden die Entscheide von allen mitgetragen. Ich bin mir sicher, dass in zehn Jahren die «Ehe für alle» Realität und dass es einfach sein wird, das amtliche Geschlecht ändern zu können. Aber vergessen wir nicht: Auch in zehn Jahren wird es wieder junge Menschen geben, die vor dem Coming-Out stehen und Hilfe brauchen.

Interview: Michel Bossart

Anmeldung für die Preisverleihung am 5. Oktober.

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