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Podium 6.2.17

LGBT-freundliche Altersheime als grosses Bedürfnis

Inwieweit können LGBT-Menschen ihre Identität in Schweizer Alters- und Pflegeheimen leben? Zu dieser Frage organisierte die Fachhochschule St. Gallen zusammen mit Pink Cross ein Podiumsgespräch. Einer der Diskussionsteilnehmer war Networker Vincenzo Paolino.

Bis auf den letzten Platz besetzt: Über 200 Personen fanden am 12. Januar den Weg in den grössten Plenarsaal der Fachhochschule St. Gallen, als im Rahmen der Podiumsveranstaltung «Vielfalt im Alter» über die Frage diskutiert wurde, wie wohl sich LGBT-Menschen in den Schweizer Alters- und Pflegeheimen fühlen. Auf dem Podium mit dabei war der Networker Vincenzo Paolino, Co-Präsident des Vereins «queerAltern». Geleitet wurde die Runde vom bekannten TV-Moderator Kurt Aeschbacher.

Vincenzo, eine Studie der FHS St. Gallen hat gezeigt, dass die besonderen Bedürfnisse von LGBT-Personen in Alters- und Pflegeheimen noch zu wenig berücksichtigt werden. Deckt sich diese Erkenntnis mit deinen eigenen Erfahrungen?

Ich bin nun schon seit vielen Jahren im Alterspflegebereich tätig, und meine eigenen Erfahrungen stimmen mit dem Ergebnis der Studie überein. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Institutionen, der Umgang mit LGBT-Personen hängt möglicherweise von den einzelnen Heimleiterinnen oder Heimleitern ab. Insgesamt kann aber gesagt werden, dass Hinweise auf LGBT-spezifische Anliegen und entsprechende Anti-Diskriminierungsgrundsätze in den Leitbildern und Betriebskonzepten der Heime praktisch ausnahmslos fehlen. Ich arbeitete 13 Jahre lang als Pflegedienstleiter in einem Heim in der Nähe von Zürich. In dieser ganzen Zeit habe ich unter all den Bewohnerinnen und Bewohnern niemanden getroffen, der offen geoutet war.

Du hast die Heimleitung erwähnt: Wie beurteilst du die Bereitschaft der Heimleiterinnen und –leiter, bei diesem Thema Hand zu bieten?
Was fehlt, ist das Bewusstsein für die Existenz des Themas. Das wiederum liegt daran, dass LGBT-Menschen in den Heimen die Sichtbarkeit fehlt. Viele Schwule, Lesben, Bisexuelle oder Transmenschen gehen ins «closet» zurück, sobald sie in ein Heim müssen. Die meisten von ihnen haben in ihrem Leben Diskriminierungserfahrungen gemacht. Sie wollen verhindern, dass sie im Heim erneut mit Ausgrenzung zu kämpfen haben und verschliessen sich. Deshalb ist es wichtig, dass die Einrichtungen in diesem Bereich noch Fortschritte machen. Es gilt, das Pflegepersonal zu sensibilisieren und zu schulen.

Was wird konkret unternommen, um eine Besserung zu erzielen?
Die Studie der FHS St. Gallen sowie die Gesprächsrunde vom 12. Januar waren sicher schon einmal wichtige Schritte, um das Thema in den öffentlichen Diskurs zu bringen. Das Interesse an der Podiumsdiskussion war gross, das St. Galler Tagblatt zum Beispiel berichtete prominent über den Anlass. Der Verein «queerAltern» setzt sich dafür ein, in der Stadt Zürich ein Wohn- und Betreuungsangebot für die «Community und friends» zu schaffen.

Wie weit ist dieses Projekt fortgeschritten?
Schon sehr weit, Betriebskonzept und Finanzierung stehen. Die einzige Schwierigkeit, die sich uns noch stellt, ist das Finden einer geeigneten Liegenschaft. Wir suchen mit Hochdruck. Angestrebt sind 20 bis 30 Wohnungen sowie zwei Wohngruppen für Menschen mit einem höheren Pflegebedarf. Geplant sind auch ein Bistro und Büros für LGBT-Organisationen wie die HAZ oder die Schwubliothek. Wir richten uns aber nicht ausschliesslich an queere Personen. Wie der Name schon sagt, auch «friends» von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Trans- oder Intergendermenschen sind willkommen. Es geht um eine sogenannte «caring community» – um einen Ort, der das Leben verschiedener Menschen unter einem Dach ermöglicht. Unseren Vereinsmitgliedern ist wichtig, sich im Alter nicht mehr erklären oder erneut verstecken zu müssen. Es besteht ein grosser Bedarf an LGBT-gerechten Wohnformen im Alter, dies zeigen Untersuchungen weltweit.

Wie hast du den Anlass als solchen wahrgenommen?
Insgesamt war die Veranstaltung sehr gelungen. Man hat unsere Anliegen wahrgenommen. Einige der Podiumsgäste tendierten aber dazu, die derzeitige Situation als allzu positiv zu beschreiben und die bestehenden Probleme kleinzureden. Gegen diesen «rosa Luftballon» mussten sich die anderen Podiumsgäste – mich eingeschlossen – immer wieder wehren.

Interview: Markus Stehle

 

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