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Film 6.6.17

«Meine Stärke ist die Arbeit im Hintergrund»

Networker Ivan Madeo ist einer der derzeit erfolgreichsten Schweizer Filmproduzenten. Ende Mai vertrat er die Schweiz in einem prestigeträchtigen Förderprogramm am Filmfestival in Cannes.

Ivan, am diesjährigen Filmfestival in Cannes hast du die Schweiz im Programm «Producers on the Move» der European Film Promotion (EFP) repräsentiert. Was darf man sich darunter vorstellen?
Das Programm bietet einer Gruppe von aufstrebenden europäischen Filmproduzenten eine wichtige Plattform. Während einer Woche arbeiten die Produzenten zusammen, sie tauschen sich aus und vernetzen sich, wodurch sich spannende internationale Projekte ergeben können. Eigentlich geht es um folgende Frage: Was für Filme können entstehen, wenn zwanzig der vielversprechendsten Produzentinnen und Produzenten Europas zusammenkommen? An solchen Koproduktionen sind die European Film Promotion und das Cannes Film Festival natürlich interessiert.

Du wurdest von SWISS FILMS als Kandidat für das Programm portiert und musstest in der Folge ein strenges Auswahlverfahren der EFP durchlaufen. Was wurde in diesem Verfahren von dir gefordert?
Die Bewerber müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllen, um nach Cannes eingeladen zu werden. Verlangt wird unter anderem, dass sie im eigenen Land den Filmpreis für den besten Spielfilm gewonnen haben und im Hauptwettbewerb eines A-Filmfestivals wie Berlinale, Cannes, Locarno oder Venedig vertreten waren. Ausserdem muss man Oscar-Erfahrung sowie eine gewisse Anzahl internationaler Kinostarts mit entsprechenden Verkäufen ins Ausland vorweisen. Und dann gehört ein ausführliches Bewerbungsschreiben dazu. Das mehrmonatige Bewerbungsprozedere war ein ziemlicher Aufwand.

Wie hast du die Zeit in Cannes erlebt?
Aufregend und aufreibend. Ich habe von mittags bis frühmorgens pausenlos «gepitcht» – das heisst, ich habe versucht, ausländische Produzenten, internationale Verleiher und Verkäufer zu überzeugen, in unsere Filmprojekte einzusteigen. Im Vordergrund stehen für mich momentan zwei französischsprachige Spielfilme: einer von Léa Pool, der grossartigen Schweiz-kanadischen Regisseurin von Filmen «Emporte-moi» und «Anne Trister». Léa Pool wurde  letztes Jahr für ihre Arbeit als Regisseurin mit dem Pink Apple Festival Award geehrt. Das andere Projekt stammt von Jungregisseur Mauro Mueller, mit dem wir 2013 den Studentenoscar für die Schweiz gewonnen haben.

Du bist Filmproduzent – was gehört zu den Aufgaben eines solchen?
Vereinfacht gesagt: Der Produzent stellt sicher, dass der Regisseur ideal arbeiten und der gemeinsame Film ideal präsentiert werden kann. Die Regie trägt die künstlerische Verantwortung für einen Film, um alle anderen Aspekte – seien es rechtliche, personelle, finanzielle, administrative, meistens aber vor allem künstlerisch kuratierende Fragen – ist der Produzent besorgt. Er kümmert sich auf sämtlichen Ebenen um den reibungslosen Ablauf der Filmproduktion und um die Zusammenstellung des besten Teams. Dementsprechend ist der Filmproduzent vom Anfang bis zum Ende mit dabei und arbeitet zum Beispiel oft bereits mit dem Drehbuchautor zusammen, bevor der Regisseur überhaupt dazukommt.

Nach «Der Kreis» und «Heimatland» stellst du derzeit den Spielfilm «Der Läufer» fertig – kannst du kurz beschreiben, worum es geht?
Es handelt sich um ein Psychodrama, das auf wahren Begebenheiten basiert. Im Zentrum steht ein bekannter junger Sportler aus Bern. Infolge mehrerer Schicksalsschläge verliert er zunehmend die Kontrolle über sein Leben und beginnt, Frauen anzugreifen. Der Film nimmt sich eines düsteren Themas an. Indem er das Psychogramm eines Täters zeichnet, versucht er aufzuzeigen, wie Gewalt entstehen kann. 

Gibt es noch einen queeren Stoff, dessen Verfilmung du gerne produzieren würdest?
Nach «Der Kreis» wurden wir mit LGBT-Vorlagen überschwemmt. Um ehrlich zu sein, war aber nichts darunter, das wir genügend interessant gefunden hätten. Auf die millionste Coming-out-Lovestory hatten wir keine Lust. Wichtig ist uns, dass die Thematik des Filmes nicht auf die Homosexualität reduziert wird, sondern eine gewisse Vielfältigkeit aufweist – denn wie mein Geschäftspartner und Networker Urs Frey sagt, ist schwul oder lesbisch sein per so noch kein abendfüllendes Thema. Lustigerweise liegt jetzt aber gerade ein Projekt auf dem Tisch, das grossartig wäre! Es handelt sich um eine internationale Koproduktion mit einem bekannten LGBT-Filmregisseur. Es ist aber alles sehr frisch und die Finanzierung kann jederzeit zusammenbrechen, sodass ich noch nicht mehr darüber sagen darf.

Bei Kurzfilmen hast du selbst schon Regie geführt – könntest du dir vorstellen, künftig mehr in diesem Bereich zu machen?
Wohl eher nicht. Meine ersten Gehversuche im Regieführen waren wirklich nicht berauschend. Es gibt in dieser Hinsicht massiv talentiertere Leute. Meine Stärke ist die Arbeit im Hintergrund, dort kann ich einen relevanten Mehrwert für die Filmwelt liefern. Die Regie überlasse ich deshalb gerne den Regiemeistern.

Du bist Network vor 12 Jahren beigetreten. Was war der Grund?
Ich war mir bewusst, dass es so viele Menschen gibt, die über Jahrzehnte Grossartiges geleistet und dafür gesorgt haben, dass ich heute als Schwuler so leben kann, wie ich lebe. Ich fragte mich also, was ich der schwullesbischen Community zurückgeben kann. Network schien mir sehr gut organisiert und eine ideal Plattform, um mich mit meinen Möglichkeiten einzusetzen.

Interview: Markus Stehle

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