Im Fokus 4.1.22
Network ist gut fürs Networking

Der 39-jährige Choreograf Ihsan Rustem mit türkisch-zypriotischen und britischen Wurzeln ist kürzlich der Regionalgruppe Zürich beigetreten – und hell begeistert vom Konzept «Network».
Ihsan, wie und wann hast du das erste Mal von Network gehört?
Network ist in der Community sehr aktiv und auch sichtbar und war mir, seit ich vor 15 Jahren in die Schweiz gezogen bin, immer ein Begriff.
Du bist ja kürzlich der Regionalgruppe Zürich beigetreten. Warum?
Ich bin in London aufgewachsen und war schon mit 14 aktiv in der Community – ich habe zum Beispiel Red Ribbons für die Aidshilfe an den Gay Prides verkauft. Heute als freischaffender Choreograf bin ich aber neun Monate im Jahr unterwegs und hatte bislang gar keine Gelegenheit, mich hier zu engagieren. Dann kam Corona und mit dem Virus auch die Zeit. Es war die perfekte Gelegenheit, einen Beitritt ins Auge zu fassen.
Wie hast du das Aufnahmeprozedere erlebt?
(lacht) Die Prozess mutet auf den ersten Blick etwas altmodisch an. Auf den zweiten Blick finde ich aber, dass er gut ist: Es braucht dieses gewisse Mass an Verbindlichkeit und Engagement für den Verein. Network ist nicht wie ein x-beliebiger Verein, dem man einfach beitreten kann. Das Götti-Konzept finde ich sehr gut – meine zwei – Peter Dorthe und Lukas Bieri – haben mich sehr gut begleitet. Und dann ging das Ganze ja doch viel schneller als erwartet. Ein Jahr ungefähr. Das ist doch voll in Ordnung.
Du bist Choreograf. Erzähl uns mehr von deinem Beruf.
Während 15 Jahren hatte ich eine erfolgreiche Karriere als Tänzer und tanzte in Deutschland, den Niederlanden und der Schweiz – in Bern und Luzern. 2010 hatte ich dann meinen ersten Auftrag als Choreograph in Portland, Oregon. Das war der Kickstart für meine Karriere, weil ich dafür zwei wichtige internationale Preise gewann. In der Folge erhielt ich immer mehr Aufträge von Opernhäusern und unabhängigen Projekten hauptsächlich in den USA. Dann kamen neben den lokalen Projekten auch Aufträge in Kanada, Lateinamerika und Russland hinzu. Oft betreute ich sechs oder sieben Projekte gleichzeitig und war darum fast das ganze Jahr über unterwegs. Als mit Covid alle Projekte auf später verschoben wurden, entschied ich mich, meinen Fokus näher an mein Daheim zu rücken. Schliesslich bin ich ja auch seit kurzem Schweizer geworden! Mit Cathy Marston, meiner Berner Chefin von damals und eine gute Freundin von mir (die 2023 das Ballett Zürich von Christian Spuck übernehmen wird), habe ich nun eine neue Kompanie gegründet: «Cie. La Ronde». Wir wollen eine Brücke zwischen den grossen Institutionen und der freien Szene schlagen. «Cie. La Ronde» soll eine echte Schweizer Kompanie mit Tänzern, Choreografen, Set Designers, Kostümbildern, Lichttechniker etc. von hier sein. Unseren ersten Auftritt werden wir am vom 7. bis 10. April im Theater Winterthur haben. Danach folgen Auftritte am Tanzfestival «Steps». Während ich vorher als freischaffender Choreograf gearbeitet habe, finde ich mich nun in einer ganz neuen Rolle wieder, muss zum Beispiel auch für das Fundraising besorgt sein… Aber meine Arbeit bereitet mir viel Spass und ich denke oft, dass es eigentlich eigenartig ist, warum mich Menschen für diesen Spass auch noch bezahlen… (lacht).
Welche Unterstützung kann dir Network bei der Ausübung deines Berufes geben?
Das Konzept von Network ist Gold wert! Bereits an meinen ersten zwei Aperos konnte ich wichtige Kontakte zu einem Filmer und einem Komponisten knüpfen. Network ist gut fürs Networking! Gerne werde ich mich auch selbst einbringen und gerne erzähle ich von meiner Arbeit. Das wäre schön.
Ihsan, was tust du als Erstes am Morgen?
Kaffee, noch einen Kaffee und dann versuche ich vor den Proben meine Inbox zu leeren.
Wie hältst du dich über das aktuelle Geschehen auf dem Laufenden?
Ich schau auf swissinfo.ch und thelocal.ch nach den Neuigkeiten aus der Schweiz; im Hintergrund lass ich BBC World laufen…
Katze oder Hund?
Wau!
Deine Lieblingsjahreszeit?
Ich bin ein Sommerkind.
Welches Buch liegt derzeit auf deinem Nachttisch?
«Tales of the City» (Stadtgeschichten) von Armistead Maupin.
Gibt es etwas, das du von 2021 ins 2022 rüber nehmen möchtest?
Ich hoffe, dass die Theater nicht mehr schliessen müssen. Der Anblick eines leeren Zuschauerraums ist traurig.
Dein Lieblingsballettstück?
Nicht klassisch: «Petite Mort» von Jiri Kylian (Nederlands Dans Theater). Ich habe dieses Stück bestimmt über hundert Mal gesehen.
Und was ist das Letzte, das du vor dem Zubettgehen tust?
Ich überprüfe noch einmal die Nachrichtenseiten, um sicherzustellen, dass die Welt im Laufe des Tages nicht untergegangen ist!
Text: Michel Bossart
Bild: Aline Paley