Neuer Präsident 5.5.17
«Network ist wichtig in meinem Leben»

Daniel Seiler wurde an der GV 2017 zum neuen Präsidenten von Network gewählt. Im Interview spricht der 50-Jährige über die Marschrichtung des Vereins, Stärke durch Vielfalt und Kompromissbereitschaft.
Daniel, herzliche Gratulation zur Wahl! Erinnerst du dich noch daran, wie du zu Network dazugestossen bist?
Ich trat dem Verein 2005 bei. Damals war ich soeben aus Asien zurückgekommen, wo ich 15 Jahre lang lebte. Ich wusste, dass Network existierte, weil Freunde im Verein waren. Mir gefiel die Idee, dass man sich bei Network mit anderen schwulen Führungskräften vernetzen kann.
Was war deine Motivation, nun das Präsidentenamt zu übernehmen?
Als sich Luzius für seinen Rücktritt entschied, diskutierten wir im Vorstand über seine Nachfolge. Mit der Zeit kristallisierte sich der Wunsch heraus, dass ich das Amt übernehme solle. Diesem Wunsch entsprach ich sehr gerne. Ich freue mich darauf, mich als Präsident für Network einzusetzen.
Was sind deine Ziele für den Verein?
Wir werden den Weg der letzten Jahre weitergehen. Ein starker Fokus liegt auf der politischen Arbeit und den Herausforderungen, die im Zusammenhang mit der «Ehe für alle» oder der Selbstbestimmungsinitiative auf uns zukommen. Ein anderer Schwerpunkt liegt sicher auf der Arbeitswelt. Network, das heisst «Gay Leadership» – die Arbeitswelt lag uns also schon immer am Herzen. Diesbezüglich wird das LGBTI-Label wichtig sein. Es geht darum, die sexuelle Orientierung in den Diskussionen rund ums Diversity Management vermehrt auf den Tisch zu bringen. Ausserdem müssen wir der Tatsache Rechnung tragen, dass sich der Verein in den letzten Jahren entwickelt hat. Die Regionalgruppen sind teilweise stark gewachsen. Dies ist in Einklang zu bringen mit der Tätigkeit der Kommissionen. Wir müssen sicherstellen, dass die gute Kommissionsarbeit in den Regionalgruppen widerspiegelt wird, und umgekehrt. Schliesslich werden wir uns im Hinblick auf die langfristige Zukunft des Vereins die eine oder andere Frage stellen müssen. Aber das hat noch Zeit.
Was für Fragen meinst du?
Eines unserer erklärten Ziele ist die rechtliche Gleichstellung von LGBT-Menschen. Worauf richten wir unseren Fokus, wenn dieses Ziel einmal erreicht ist? Bauen wir unseren internationalen Einsatz aus? Wie steht es um Fragen rund um berufliche Veränderungen und Karrierewechsel mit fünfzig? Gehen wir verstärkt auf Themen wie Einsamkeit im Alter ein, oder behandeln wir vermehrt gesundheitsspezifische Fragen, wie zum Beispiel die psychische Gesundheit von LGBT-Menschen? Die Themen gehen uns nicht aus, aber die Schwerpunkte werden sich verändern.
Worin siehst du die Stärken, worin allfällige Schwächen von Network?
Wir sind sehr professionell unterwegs und verfügen über eine äusserst diverse und vielfältige Mitgliederschaft. Dank dieser Vielfalt gehen nicht nur die verschiedensten Türen auf, es ist auch ein enormes Wissen vorhanden. Schliesslich besteht auch das Bewusstsein, dass man sich als Verein aktiv für die Sache der LGBT einsetzen muss. Ein grosser Teil unserer Mitglieder engagiert sich in irgendeiner Form für Network, das ist bei weitem nicht selbstverständlich. Allfälliges Verbesserungspotenzial sehe ich bei unserem Auftritt gegen aussen. Demut ist nie falsch, aber wir dürfen uns in der Öffentlichkeit ruhig zeigen und über unsere Leistungen sprechen – getreu dem Motto «Tue Gutes und rede darüber». Diesbezüglich sind wir aber auf bestem Wege.
An der GV hast du gesagt, du würdest das Amt «wohl nicht gleich diplomatisch ausüben können wie Luzius». Polarisierst du?
Die Leute sagen das teilweise (lacht)! Selber bin ich mir dessen gar nicht so bewusst. Ich bin einfach sehr direkt und finde, dass man immer sagen darf, was man denkt. Dadurch werden auch Diskussionen angestossen. Und so gern ich meine Meinung sage, so gern höre ich auch zu. Ich bin stets bereit, meine Meinung anzupassen.
Im Rahmen der GV hast du auf die «Leadership Convention» aufmerksam gemacht, die am 20. Mai in Frankfurt stattfindet. Der Völklinger Kreis (VK) und Network organisieren den Anlass gemeinsam. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Im vergangenen Jahr führte der VK die Leadership Convention zum ersten Mal durch. Ich nahm daran teil und empfand das Format als sehr gelungen. Daraufhin unterhielt ich mich mit dem VK-Vorstandsvorsitzenden Michael Kauch. Wir kamen zum Schluss, dass es spannend wäre, die Veranstaltung künftig gemeinsam auf die Beine zu stellen. Gerne würden wir auch unsere Freunde aus Österreich noch mit ins Boot holen. Ich bin überzeugt, dass wir durch eine länderübergreifende Kooperation noch mehr klingende Namen als Zugpferde für künftige Auflagen gewinnen können. Die Convention soll nicht nur von Leuten aus der Community, sondern auch von «straight allies» besucht werden. Je mehr interessante Themen und Persönlichkeiten wir präsentieren können, umso grösser wird die Strahl- und Anziehungskraft des Anlasses.
Was bedeutet dir Network persönlich?
Eine Herzensangelegenheit! Dank Network habe ich extrem viel Spannendes erleben dürfen. Ich habe viele Menschen kennen gelernt, deren Bekanntschaft ich sonst nicht gemacht hätte. Daraus entstanden auch gute, fortwährende Freundschaften. Network ist mir wichtig.
Interview: Markus Stehle