Im Fokus 9.8.19
Stillstehen mag er nicht

Michael Lindenmann ist 30 Jahre alt, seit zwei Jahren Network-Mitglied und seit Kurzem Leiter der Regionalgruppe Ostschweiz und Fürstentum Liechtenstein. Im Interview erklärt er, was auf der Agenda steht und wie es zu seiner Mitgliedschaft bei Network kam.
Michael, seit wann bist du Mitglied bei Network und warum?
Schon im Gymnasium war ich bei den Jungfreisinnigen politisch aktiv und begann mich im Zuge meines Coming-outs bei Familie, bei Freunden, Schulkolleg*innen und bei meinen «Farbenbrüdern» aus der Studentenverbindung für LGBTIQ-Anliegen zu interessieren. Mittlerweile engagiere ich mich auch im Vorstand der LGBTIQ-Fachgruppe der FDP und der Jungfreisinnigen Schweiz (RADIGAL). Während meines Studiums an der Universität Zürich arbeitete ich Teilzeit bei Dr. Emil Schreyger, der ja lange Jahre für das Sekretariat von Network verantwortlich zeichnete. Nachdem es mich dann nach Abschluss des Studiums wieder nach Hause in die Ostschweiz verschlug, war für mich klar, eine Mitgliedschaft bei Network zu beantragen – erachte ich das gesellschaftspolitische Engagement von Network doch als enorm wichtig für die Gleichstellung homosexueller Männer in der Arbeitswelt, und zwar insbesondere in Führungsfunktionen. Seit dem 17. Mai 2017 bin ich nun Mitglied der Ostschweizer Sektion. von Beginn weg fühlte ich mich hier sehr wohl und schätze die jeweils spannenden Diskussionen mit den Mitgliedern über Gott und die Welt.
Seit Kurzem bist du zum Regionalleiter gewählt worden. Fluch oder Segen?
Nach erst einem knappen Monat als Regionalleiter kann ich noch nicht wirklich ein Fazit ziehen. Bekanntermassen will gut Ding ja Weile haben. Was ich sehr geschätzt habe, war die einwandfrei vorbereitete Übergabe von Steve Mueggler an mich und die entgegengebrachte Unterstützung.
Was sind die Herausforderungen, die auf die Ostschweizer Gruppe zukommen?
Die grösste Herausforderung dürfte sicherlich die Organisation der Generalversammlung im nächsten Jahr sein. Zum Glück hat sich Steve als OK-Präsident zur Verfügung gestellt; ebenso haben sich andere Mitglieder unserer Regionalgruppe bereit erklärt, im OK mitzuarbeiten. Da am 20. Oktober National- und Ständeratswahlen stattfinden werden, sind wir seitens der Politischen Kommission gebeten worden, auch bei uns Veranstaltungen mit Politiker*innen durchzuführen. Dabei geht es einerseits darum, den Parteien und Kandidat*innen die Möglichkeit zu bieten, sich betreffend LGBTIQ-Anliegen zu positionieren, andererseits die Stimmbürger*innen auf LGBTIQ-Themen aufmerksam zu machen.
Was ist dir als Regionalleiter besonders wichtig?
Mein Motto lautet «Bewährtes erhalten, Neues wagen», zumal die Mitglieder mit dem bisherigen Programm ja zufrieden gewesen sind. Wichtig ist mir weiter, den Kontakt unserer Mitglieder mit den Vertretern von UniGay, dem LGBTI-Verein an der Universität St. Gallen, gewährleisten zu können. Handelt es sich bei den Studenten doch um potentielle Mitglieder für Network. Zudem profitieren die Studenten von der Möglichkeit, sich mit schwulen Führungskräften über berufliche Perspektiven und die Karriereplanung im Allgemeinen austauschen zu können. Was ich zu verstärken beabsichtige, ist die Öffentlichkeitsarbeit in der Ostschweiz. Hiervon erwarte ich mir allenfalls neue Mitglieder für die Regionalgruppe, aber auch eine breitere Aufmerksamkeit für Network und in diesem Zusammenhang für LGBTIQ-Themen in der Ostschweiz. Im Unterschied zu Zürich braucht es hier bei uns durchaus noch Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit.
Welche Anlässe stehen auf der Ostschweizer Network-Agenda?
Nebst unseren Apéros in der Bar des Hotels Einstein sind der Besuch der neuen Dauerausstellung «Gallus und sein Kloster – 1400 Jahre Kulturgeschichte» in der Stiftsbibliothek St. Gallen, das Whiskytasting bei einem Ostschweizer Whiskybrenner, das Kamingespräch mit dem Schweizer Krebsspezialisten der Schweiz Prof. Dr. Thomas Cerny und der Firmenbesuch bei einem jungen St. Galler Herrenausstatter sicherlich erwähnenswerte Highlights.
Zum Schluss noch etwas zu dir. Was magst du besonders gerne?
Dinge, die in Bewegung sind – sei es beruflich, politisch oder in Vereinen. Stillstehen ist nicht so meine Sache. Ich suche nach neuen Herausforderungen und schaffe gerne Neues. Sei es, dass ich einen Verein gründe, oder sei es, dass ich mir mit ein paar Kollegen vorgenommen habe, meinen ersten Viertausender zu besteigen.
Was mir besonders am Herzen liegt, ist meine Mitgliedschaft im Schweizerischen Zofingerverein, bei dem es sich um die älteste Studentenverbindung der Schweiz handelt. Einmal beigetreten, bleibt man sein Leben lang Mitglied. Das schweisst zusammen und der Verein wird zu einer Art zweiten Familie. Das schätze ich enorm.
Und was magst du nicht?
Stillstehen. Das heisst allerdings nicht, dass ich in den Ferien nicht einmal eine Woche im Liegestuhl mit einem guten Buch verbringen kann. Kulinarisch lasse ich mich durchaus auf Neues ein. Bei Fisch und anderem Meeres- und Seegetier sträuben sich mir allerdings gleich die Nackenhaare. Ich habe Mühe mit Personen, die ständig ihre Meinung wechseln. Ich vertrete – nicht immer zur Freude aller – klar meine Position und es bedarf wirklich guter Argumente, um mich von einer gegenteiligen Meinung zu überzeugen.
Text: Michel Bossart