ApéroPlus in Bern 8.10.22
Wie Network-Preisträger Queeramnesty LGBTI-Geflüchteten hilft

Der Network-Preis 2022 ging an Queeramnesty Schweiz. Am ApéroPlus in Bern bot sich nun die Gelegenheit, die ehrenamtliche Gruppe und ihr Engagement näher kennenzulernen.
Der Gewinner des Network-Preises wurde Anfang Jahr in einer Abstimmung erkoren. Nachdem 251 Networker ihre Stimme abgegeben hatten, stand ein deutlicher Sieger fest: Queeramnesty. Die Preisübergabe fand im Rahmen der Generalversammlung in Bad Ragaz statt. In Bern hatte man nun am 13. September die Chance, die Arbeit der grössten Untergruppe von Amnesty International Schweiz kennenzulernen: Auf dem Programm standen ein Inputreferat und eine anschliessende Diskussion mit Queeramnesty-Gruppenleiter Stefan Faust. Organisiert wurde der Anlass von der Regionalgruppe Bern.
Soziale Integration
Stefan gelang es, den über 30 Anwesenden das Engagement seiner Organisation zu veranschaulichen und gleichzeitig die wahren Probleme von queeren Geflüchteten aufzuzeigen. Dabei wurde deutlich, dass die Einsamkeit und die soziale Isolation in vielen Fällen die grösste Schwierigkeit für die Betroffenen darstellen. Umso wertvoller deshalb die Arbeit der zahlreichen Mentor:innen von Queeramnesty, die den Geflüchteten zuhören, sie informieren, begleiten und bei der Integration in die Community helfen. Dazu gehöre etwa der Besuch einer Pride, zu der die Geflüchteten von der Organisation eingeladen werden, wie Stefan erzählte.
Für viele sei dies eine unvorstellbare Welt. «Da kommt zum Beispiel jemand aus Afghanistan, wo man nicht einmal über Homosexualität sprechen darf, und erlebt einen Pride-Umzug als öffentliche Veranstaltung – das ist ein sehr berührender Moment», sagte Stefan. Die Prides sind also für Queeramnesty nicht nur eine Gelegenheit für Öffentlichkeitsarbeit an Ständen, sie sind auch ein wichtiger Teil der sozialen Integration der queeren Geflüchteten.
Einsatz im In- und Ausland
Queeramnesty wurde 1997 gegründet und engagiert sich für das gesamte Spektrum der Geflüchteten, die nicht den heteronormativen Vorstellungen von Sexualität oder von binärem Geschlecht entsprechen. Die Gruppe ist Teil von Amnesty International und profitiert nicht nur vom Ruf und von der Glaubwürdigkeit dieser anerkannten NGO, sondern auch von ihrer Forschungsarbeit. Queeramnesty Schweiz kämpft innerhalb der Landesgrenzen für die LGBTI-Community, setzt sich aber auch im Ausland für queere Menschenrechte ein. Eines der Fokusländer ist Polen. Mit Newslettern und in Gesprächen mit Politiker:innen und Diplomat:innen wird versucht, Einfluss zu nehmen und lokale Aktivist:innen zu unterstützen. So etwa im letzten Jahr, als ein Austausch mit dem Schweizer Botschafter in Polen stattgefunden hatte.
Die Gruppe zählt insgesamt rund 1’000 Mitglieder und Spender:innen; etwa 70 von ihnen sind Aktivist:innen. Von diesen arbeiten wiederum die meisten als Mentor:innen für queere Geflüchtete. Ein grosser Teil der Mittel geht direkt an die Geflüchteten, beispielsweise in Form von Zugtickets, warmer Kleidung oder Supermarkt-Gutscheinen.
Flyer kann Gefahr bedeuten
Eine der Schwierigkeiten für die Aktivist:innen von Queeramnesty ist, die Geflüchteten überhaupt auf sie aufmerksam zu machen. Als queere Organisation könne man nämlich nicht einfach Flyer an stark frequentierten Orten in Asylzentren auslegen, erklärte Stefan in seinem Referat weiter. «Wenn andere Landsleute ihr Interesse an so einem Angebot mitbekommen, sind nicht nur die queeren Geflüchteten selbst, sondern unter Umständen auch deren Familien in der Heimat in Gefahr.»
Für viele sei es entsprechend schwierig und heikel, sich zu öffnen und etwa über ihre Homosexualität zu sprechen – auf den Ämtern sowieso. «Für manche sind die Behörden grundsätzlich der Feind; an dieser Einstellung halten sie in der Schweiz fest, weil sie nie etwas anderes erfahren haben.»
Stefan hatte auch eine mahnende Botschaft an die anwesenden Networker. Selbst wenn die Schweiz weit entfernt sei von den Ländern, wo homosexuelle Handlungen eine Straftat darstellen: Die Community dürfe sich hierzulande nicht auf den Lorbeeren ausruhen. «Solange ein gleichgeschlechtliches Paar Angst hat, sich in der Öffentlichkeit zu küssen, müssen wir weiterkämpfen.»
Mehr über Queeramnesty erfährst du auf dieser Website.
Text: Silvan Hess