Gesellschaft 3.7.19
Zehn Jahre Schwulengeschichte.ch

Vor zehn Jahren ging die Website www.schwulengeschichte.ch online. Sie ist das Lebenswerk der beiden Network Ehrenmitglieder Ernst Ostertag und dem kürzlich verstorbenen Röbi Rapp.
2009 ging die Webseite online, aus der ursprünglich eigentlich ein Buch hätte werden sollen. Networker Ernst Ostertag erinnert sich: «Alles begann mit der Ausstellung «unverschämt – Lesben und Schwule gestern und heute» im Züricher Stadthaus im Jahr 2002. Röbi (Rapp) und ich wurden mit der Erstellung eines Katalogs beauftragt.» Bald merkte Ernst, dass die umfangreiche Quellenlage genügend Stoff für ein Buch hergeben würde und machte sich an die Niederschrift. Als Zürich 2009 dann den Zuschlag für die Europride erhielt, fragte Network an, ob man die Gelegenheit nicht für eine Buchvernissage nutzen wolle. Mit NZZ Libro war rasch ein Verlag gefunden, der Interesse zeigte. Allerdings wurde eine massive Kürzung des Textes verlangt. «Auch nach intensivem Kürzen war der Text immer noch zu lang», sagt Ernst. Doch er war nicht mehr bereit, weitere Kürzungen vorzunehmen: «Es ging mir um die Vor- und Mitkämpfer, um Menschen, die ich nicht nur erwähnen, sondern als Zeitzeugen sicht- und fassbar machen wollte.»
Alle Arbeit umsonst? Mitnichten. Auf einer Website könnten die Texte ungekürzt veröffentlicht und praktisch verlinkt werden. Gerade mal sechs Monate blieben, um aus dem Manuskript auf Papier eine ansprechende Website zu gestalten. «Ein Team von Networkern arbeitete unter enormen Zeitdruck, aber wir schafften es, pünktlich online zu gehen», freut sich Ernst.
In der Zwischenzeit wurde die Website mehrmals überholt und leserfreundlicher gestaltet. Dazu Ernst: «Eine Website ist halt kein gedrucktes Buch, sondern eine lebendige, sich dauernd erneuernde Sache, ein nie endender Prozess.» Damit das Finanzelle geregelt werden konnte, wurde der Verein «Schwulengeschichte.ch» gegründet. Heute wird die Webseite von durchschnittlich 2000 Internetbenutzern pro Monat besucht. Darunter seien Studenten, Journalisten, Politiker und natürlich queere Menschen, die etwas über ihre Geschichte erfahren wollen, meint Ernst. «Die Website wurde zu einem zentralen Werkzeug inner- und ausserhalb unserer Community. Zudem ist die Schweiz das einzige Land auf der Erde, das seine vollständige Schwulengeschichte im Netz aufgearbeitet hat und gratis zur Verfügung stellt.»
Was allerdings gratis für den Nutzer ist, ist keinesfalls gratis für die Betreiber. Dazu nochmals Ernst: «Wir brauchen dringend viele neue Mitglieder, um die Website weiterentwickeln und betreiben zu können und sie mit neuen Texten zu ergänzen.» Eine Vereinsmitgliedschaft kostet 100 Franken im Jahr. Ernst appelliert an alle Networker: «Die Seite ist das opus magnum von zwei Ehrenmitglieder von Network, Röbi und mir. Ich würde mich freuen, wenn selbstbewusste Networker und ihre Freunde mit einer Mitgliedschaft den Verein dabei unterstützen, seine Arbeit fortführen zu können.»
Text: Michel Bossart